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Wenn Sie nach sehenswerten Orten in der Dominikanischen Republik suchen, wird Los Marranitos nicht auf dieser Liste erscheinen. Der Ort liegt hoch oben in den Bergen auf 1.039 Metern und bezaubert seine Besucher mit einer unglaublichenLos Marranitos tropischen Vegetation. Von Jarabacoa, der zweitgrößten Gemeinde der Provinz La Vega, führt der Weg dorthin fast eine halbe Stunde lang eine kurvenreiche Straße hinauf. Dann biegen wir links in eine schmaleSchotterpiste ein, die weitere 3 Kilometer lang ist und zum Teil steil bergauf geht.

Zum Glück war es bei strahlendem Sonnenschein trocken, denn bei Nässe kann die Fahrt zu einer echten Herausforderung werden.

Wie alles begann…

1994 folgte die Dominikanisch-Amerikanische Schriftstellerin, Julia Alvarez, einer Einladung von Patricia Suriel-Thorndike, Gründerin der Iguana Mama Mountain Biking Adventure Tours, und schloss sich einer Gruppe von mehr als 50 Journalisten, Fotografen und Filmemachern zu einer dreitägigen Wanderung in den Bergen an.

Danach war es um Julia geschehen, Natur und Menschen ließen sie nicht mehr los. Zusammen mit ihrem Partner Bill Eichner erfüllten sich die beiden ihren Traum und kauften nur zwei Jahre später rund 93 Hektar Land in Las Marranitos. Gemeinsam gründeten sie die Finca Alta Gracia, ein landwirtschaftliches Bildungszentrum, in dem viele Gemeindemitglieder Arbeit fanden. Außerdem engagierten sie sich stark im Bildungsbereich, denn die nächste öffentliche Schule ist immer noch rund eine Stunde Fußmarsch durch bergiges Gelände entfernt. Wir wollten einen Weg finden, einer von Armut geprägten Dorfgemeinschaft und einer benachteiligten Gesellschaft zu dienen und einige der Möglichkeiten und Privilegien, die wir beide in unserem eigenen Leben genießen durften, zurückzugeben“, sagt Julia Alvarez.

Sie blieb in Kontakt mit Patricia, die inzwischen die erste gemeinnützige Organisation in Cabarete, Friends of the DR, gründete, die später in die Mariposa DR Foundation umgewandelt wurde. Alle Spenden flossen in den Kauf von Büchern und Schulmaterialien für öffentliche und private Schulen. Desweiteren bekamen dominikanische Mädchen Stipendien für den Besuch von Privatschulen.

Die nächsten Schritte

Im Jahr 2019 war es schließlich an der Zeit, Julias und Bills Arbeit auszuweiten und die Finca Alta Gracia in ein Zentrum für gemeinschaftliches Lernen und Ökotourismus zu verwandeln. Dazu gehörten neben dem Bau einer lokalen Schule, um den langen und oft gefährlichen Weg zur weit entfernten öffentlichen Schule zu vermeiden, auch die Gründung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft für Frauen. Um diese Pläne erfolgreich umzusetzen, wurde die Finca Alta Gracia Mitglied der Mariposa-Familie. Ziel dieses Projektes ist die Farm im Einklang mit der Natur gewinnbringend zu bewirtschaften und sich gleichzeitig für Bildung allgemein, die Förderung akademischer Weiterbildung und die Stärkung von Mädchen und jungen Frauen in einer von Männern dominierten Machismo-Kultur einzusetzen.

Was passiert wenn zwei Technologieunternehmen gemeinsam an einem Strang ziehen?

Um die Weiterentwicklung von Alta Gracia innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu verwirklichen, musste Patricia Sponsoren für dieses ehrgeizige Projekt finden.

Sie schloss sich mit Groundbreaker.org zusammen, einer Organisation, die Foundation-as-a-Service anbietet und als Bindeglied zwischen Spendern sowie lokalen Initiativen fungiert, die einen bedeutenden Unterschied nicht nur für die Menschen, sondern auch für unseren Planeten Erde machen. Groundbreaker (früher bekannt als Entrepreneurs For Knowledge) ist in der Technologiebranche gut vernetzt und stellte uns bei RNT sowie Acronis die Pläne für die Umgestaltung der Finca vor. Es dauerte nicht lange, bis wir uns für den Bau dieser Schule in den Bergen begeistern konnten, die das öffentliche Bildungsangebot vor Ort ergänzt.

Die Mariposa Mountain School

Der Bau einer Schule auf dem Gelände der Finca Alta Gracia war nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht. Alta Gracia hat außer Regen keinen Zugang zu natürlichen Wasserressourcen, so dass das Wasser knapp und die Stromversorgung schwankend ist. Los Marranitos ist ein kleines Dorf in liegt in einer sehr ländlichen Gegend. Die Menschen dort leben in extremer Armut leben und können Grundbedürfnisse wie Zugang zu Nahrung, Trinkwasser oder medizinischer Versorgung nur sehr schwer befriedigen. Wäre also ein Standardlehrplan geeignet, um der jungen Generation alles beizubringen, was sie wissen muss, um in ihrem Dorf ein besseres Leben führen zu können? Die klare und eindeutige Antwort lautet nein. Hinzu kommt die Frage wo Lehrer zu finden sind, die gerne im Dorf leben wollen und daran interessiert sind, über traditionelle Schulfächer wie Lesen, Schreiben oder Rechnen hinauszugehen? Kein Zweifel, wir alle zusammen haben die Herausforderungen angenommen und erfolgreich gelöst!

Werfen wir doch einen Blick darauf was die ganz auf Nachhaltigkeit setzende Mountain School anders macht:

  • Die Schule nutzt den Wind als natürliche Klimaanlage und so haben die Klassenzimmer keine Wände
  • Solarpaneele auf dem Dach sichern die Stromversorgung
  • Kompostierbare Toiletten verschwenden kein kostbares Frischwasser
  • Zur Schule gehören 2 Klassenzimmer, Büros, Außenbereich, Küche und eine Sanitäranlage
  • Ein sicherer Hafen für junge Mädchen und Jungen, wo sie aufwachsen und ihr Potenzial entfalten können
  • Lernen im Einklang mit und von der Natur: Während die Kinder beispielsweise alles über den Anbau, die Röstung und den Verkauf von Kaffee lernen, behandeln Sie mehrere Fächer gleichzeitig aber ohne starre Unterrichtseinheiten
  • Spezielle Programme für Mädchen zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins und wirtschaftlicher Eigenständigkeit um ungewollte Schwangerschaften und Eheschließungen im Teenageralter zu vermeiden
  • Ergänzende Bildungsangebote für die erwachsenen Dorfbewohner
  • Zusammenarbeit mit lokalen und Gastkünstlern
  • Ein allumfassendes Bildungsangebot für ca. 150 Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren

Die feierliche Eröffnung

Die Bautätigkeiten begannen im Januar 2020 und die Schule wurde im April 2021 fertig gestellt. Die weltweite Pandemie hat nicht nur die Fertigstellung verzögert, sondern auch die feierliche und offizielle Eröffnung. Am 11. Juni 2022 war es dann aber endlich soweit. Wir hatten die Ehre, Schüler, Lehrer und viele der wunderbaren Menschen in der Gemeinde Los Marranitos persönlich kennenzulernen.

Die Zeremonienmeisterin, Patricia Suriel-Thorndike, hieß alle Anwesenden herzlich willkommen und verlas einen Brief von Julia Alvarez und Bill Eichner, die leider nicht persönlich teilnehmen konnten. In ihrem Brief erklärten sie noch einmal, warum dieser Ort den Namen Alta Gracia bekam: „Der Name schien angemessen. Die Finca liegt hoch in den Bergen (alta) und wir wollten, dass dies ein Ort der Gnade (gracia) ist: Für diese Dorfgemeinschaft, die Umwelt und auch für die umliegenden Dörfer und kleinen Bauernhöfe.“

Alle Schülerinnen und Schüler unterhielten uns mit einer tollen Live-Performance und dann war es an der Zeit, die mitgebrachten Geschenke zu überreichen. Alle Anwesenden erhielten neue T-Shirts und die Kinder bekamen noch Rucksäcke, die mit einem Regenschirm und grundlegenden Schulsachen wie Stiften, Linealen, Notizblöcken, Bastelpapier und vielem mehr gefüllt waren, dazu. Dank den Hey Alter! Communities aus Düsseldorf und Köln konnten wir den Lehrkräften auch insgesamt zehn generalüberholte und einsatzbereite Laptops überreichen. Nach einigen sehr emotionalen Momenten war es an der Zeit, Eis und Kuchen zu genießen!

Im Einklang mit der Natur

Gut gelaunt und gestärkt folgten wir als Nächstes Tito, dem Landwirtschaftsexperten der Finca, der uns freundlicherweise einen kleinen Teil von Alta Gracia zeigte. Tito ist ein fitter Einheimischer von Anfang siebzig, der viel Kraft und Ruhe ausstrahlt. Sein Wissen über das agroforstwirtschaftliche Ökosystem vor Ort ist absolut überwältigend. Wir durften lernen, warum Kaffee am besten in der Nähe von Bananenstauden wächst und dass über 10.000 Pflanzen, darunter Kaffee, Macadamianüsse, Zitronenbäume, Sellerie, Bananen, Platanos (Kochbananen), Tomatillos und vieles mehr, angepflanzt wurden, um im Einklang mit der Natur zu wachsen und die lokale Gemeinschaft zu ernähren. 

Wir konnten frische Guaven und Mangos direkt vom Baum essen, denn hier wird alles zu 100 % biologisch und ohne chemische Düngemittel angebaut. Wir probierten auch rote Kaffeebeeren, die überraschend süß waren, und besuchten Julias und Bills verlassenes Haus, das neben einem 22 Jahre alten Bambus steht. Leider liefen uns die Zeit und Tito davon, denn wir waren nicht so schnell wie er. Im Gegensatz zu uns ist er es offensichtlich den steilen Weg gewöhnt.

Yo soy la fuerza más potente para cambiar el mundo

‚Ich bin die mächtigste Kraft, um die Welt zu verändern‘ Das steht auf den rosa T-Shirts der Schülerinnen und Schüler der Mariposa Mountain School. Wir bei RNT sind der festen Überzeugung, dass Bildung der Schlüssel zur Beseitigung von Armut und die Ausbildung junger Mädchen in diesem Teil der Welt sehr wichtig ist. Denn leider sind geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt gegen Frauen immer noch ein großes Problem in der Dominikanischen Republik. Viele Mädchen müssen häusliche Pflichten erfüllen, anstatt zur Schule zu gehen und über 50% werden Mütter im Teenageralter. Armut ist eine der Hauptursachen für frühe Eheschließungen, da die jungen Frauen oft keine andere Wahl haben und niemals die Chance bekommen, ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Armut zu führen.

Die Mirabal-Schwestern sind lokale Heldinnen, die ihr Leben für soziale Gerechtigkeit und Freiheit gaben und sich selbst Las Mariposas (Die Schmetterlinge) nannten. Wir werden die Mariposa Mountain School auch weiterhin unterstützen damit die Kinder von Los Marranitos Zugang zu guter Bildung haben und so die Chance bekommen, ihre Flügel auszubreiten und die Welt zu verändern. Wir freuen uns schon darauf, bald wieder vorbeizuschauen und die nächste Generation der Mariposas fliegen zu sehen!